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Warum ein gesunder Darm so wichtig ist
Obgleich der Darm sich innerhalb des Körpers befindet, ist er die größte Kontaktfläche zur Außenwelt – und um ein Hundertfaches größer als die Haut. Diese gewaltige Ausdehnung ist nötig, damit die Nährstoffe überhaupt effizient ins Blut aufgenommen werden können. Damit bietet der Darm jedoch gleichzeitig eine enorme Angriffsfläche für Krankheitserreger oder schädliche Fremdstoffe. Um sich vor diesen Gefahren zu schützen, verfügt der Darm über verschiedene Abwehrmechanismen, die zusammen als „Darmbarriere“ bezeichnet werden. Sie verhindern, dass Keime oder schädliche Substanzen ins Körperinnere gelangen.
Der Darm als Hüter des Immunsystems
Etwa 80% der Abwehrzellen des Immunsystems befinden sich in der Darmschleimhaut. Auch sie spielen eine zentrale Rolle bei der Neutralisation von Schadstoffen und der Abwehr von Keimen im Darm. Gleichzeitig muss das Immunsystem im Darm aber auch unschädliche Nahrungsmittelinhaltsstoffe als erkennen und die nützlichen Darmbakterien tolerieren – eine sehr komplexe Aufgabe, die eines stetigen Trainings bedarf.
Ein Eldorado für Bakterien
99% der Darmbewohner sind Bakterien, die beispielsweise wichtige Vitamine wie z. B. Vitamin B und B-Vitamine produzieren, andere können Schaden anrichten.
Unterstützung der Verdauung
Viele Bakterien im Dickdarm machen sich als „Resteverwerter“ nützlich: Sie bauen die Nahrungsbestandteile ab, die mit Enzymen nicht aufgespalten werden können. Dazu zählen vor allem unverdauliche Pflanzenbestandteile – die so genannten Ballaststoffe.
Stoffwechsel und Energiegewinnung
Bis zu 10% der täglich aufgenommen Kalorien werden durch den bakteriellen Abbau von Ballaststoffen durch die Darmbakterien zur Verfügung gestellt. Sie leisten einen Beitrag zur Regulation des Zucker- und Fettstoffwechsels.
Aufrechterhaltung der Darmbarriere
Die Darmflora stellt eine von drei Verteidigungslinien der Darmbarriere dar. Zum einen konkurrieren die „guten“ Darmbakterien mit Krankheitserregern um Nahrung und können so verhindern, dass die ungünstigen Keime Überhand nehmen. Zum anderen trägt die Darmflora auch dazu bei, dass die Verschlussleisten zwischen den Zellen der Darmwand wirklich gut abdichten. Das ist wichtig, damit keine Erreger oder Schadstoffe durch die Darmwand hindurch ins Blut gelangen. Die Darmbakterien produzieren außerdem kurzkettige Fettsäuren, die ebenfalls eine Schutzwirkung auf die Darmwand haben.
Kolonisierungsresistenz
Eine gesunde Darmflora verhindert, dass potenziell schädliche Bakterien, die natürlicherweise im Darm vorkommen, sich vermehren. Ist der Darm mit „guten“ Bakterien besiedelt, verdrängen diese die krankmachenden Erreger. Zum einen konkurrieren sie um das „Futter“ und verbrauchen den Sauerstoff, den viele krankmachende Keime benötigen. Zum anderen produzieren manche Darmbakterien auch Abwehrstoffe und hindern die schädlichen Erreger daran, sich an die Darmwand zu heften. Laktobazillen und Bifidobakterien produzieren beim Abbau von Ballaststoffen Milchsäure, die dafür sorgt, dass der pH-Wert im Darm sinkt und so ein saures, darmfreundliches Milieu entsteht.
Die Darmschleimhaut als mechanische Barriere
Die Schleimstoffe (Mucine), die von bestimmten Zellen der Darmschleimhaut produziert werden, wirken als mechanische Barriere. Krankheitserreger verfangen sich in der Schleimschicht, die der Darmwand aufliegt. So wird es ihnen erschwert, an der Darmwand anzuhaften. Außerdem enthält der Schleim auch „Defensine“, Substanzen, die ebenfalls der Abwehr von Erregern dienen. In der Darmschleimhaut sind auch die sogenannten Tight Junctions angelegt, schmale Bänder, die die winzigen Zwischenräume zwischen den Zellen der Darmschleimhaut abdichten.
Versorgung und Schutz der Darmschleimhaut
Beim Abbau von Ballaststoffen in einem Prozess, der „Fermentation“ genannt wird, produzieren die Darmbakterien sogenannte kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure (Acetat), Buttersäure (Butyrat) und Propionsäure. Sie werden von den Darmzellen als Energiequelle genutzt und regulieren das Wachstum und die Entwicklung der Darmzellen.
Entwicklung und „Training“ des Immunsystems
Die Darmflora stimuliert das darmeigene Immunsystem, umgekehrt beeinflusst das Immunsystem auch die Zusammensetzung der Darmflora. Das darmeigene Immunsystem muss nützliche Darmbakterien tolerieren und krankmachende Erreger bekämpfen. Um für die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ fit zu sein, muss das Immunsystem tagtäglich trainiert werden. Denn ansonsten kann es passieren, dass Inhaltsstoffe aus Nahrungsmitteln plötzlich fälschlicherweise als Schadstoffe eingestuft werden und die körpereigene Abwehr sie bekämpft – so könnten Lebensmittelallergien ausgelöst werden. Wenn die Unterscheidung zwischen schädlichen und nicht-schädlichen Faktoren nicht funktioniert, kann sich zum Beispiel auch eine Auto-Immunerkrankung entwickeln. Dann greift das Immunsystem körpereigene Strukturen an.